Die Lebenswelt des Asil Arabers

Über viele Jahrhunderte hinweg ist das Nomadenleben in den Wüsten Arabiens bis ins 20. Jahrhundert hinein fast unverändert geblieben. Den Beduinen, den Vätern des Asil Arabers, ist dieses Kapitel gewidmet.

Sitten, Bräuche und Traditionen wurden in zahlreichen authentischen Reiseberichten geschildert. Eine überzeugende Zusammenfassung unter dem Titel "Das Wesen der Beduinen" haben wir in früheren Dokumentationen veröffentlicht. Besonders eindrucksvoll waren hier die Aussagen der Professoren M. von Oppenheim und W. Caskell (Die Beduinen, Band 1 - 4, Leipzig und Wiesbaden 1938-68, Reprint: Hildesheim 1984), deren Einführung zu ihrem vierbändigen Standardwerk wir abgedruckt hatten. Es ist ein Werk, das weltweit seinesgleichen sucht und noch der Übersetzung ins Arabische und Englische harrt.

Um dem Leser der neuen ASIL ARABER DOKUMENTATION weitere Berichte aus der leider inzwischen vergangenen Welt der Beduinen zugänglich zu machen, wurde eine Vielzahl älterer und neuerer Werke vom Herausgeber geprüft, mit dem Ziel, durch besonders relevante Schilderungen einiger namhafter Autoren ein überzeugendes Mosaik zu bieten. Hier wird vor Augen geführt, wie das harte Leben in der Abgeschiedenheit der erbarmungslosen Wüste die Menschen geformt hat. Sie hatten sich ständig zu bewähren, waren aufeinander angewiesen und mußten sich innerhalb ihrer Stammesgemeinschaft aufeinander verlassen können. Während Raubzüge (Ghazus) Ehrensache waren und ein hohes Maß an Tapferkeit und Verwegenheit erforderten, waren Diebstahl und Betrug unehrenhaft, führten zu harten Strafen, gar zum Ausschluß aus der Stammesgemeinschaft.

Diese Fakten können nicht oft genug wiederholt werden, und wer an der mündlichen Überlieferung der Abstammung der Pferde und der Kamele oder an dem hervorragenden Gedächtnis der Beduinen zweifelt, sollte unvoreingenommen die in den ASIL ARABER DOKUMENTATIONEN zitierten Berichte lesen, deren Autoren alles andere als weichliche Stubenhocker und Phantasten waren (siehe dazu auch die in der Bibliographie aufgeführten Werke). Und wer noch nicht weiß, daß Europa der arabischen Gelehrsamkeit und Kultur ungeheuer viel zu verdanken hat, sollte das Kapitel Der Einfluß arabischer Kultur und Wissenschaft auf das Abendland, S. 249 lesen, das wir auch dieser Ausgabe bewußt mit auf den Weg geben. Gerade wenn heute Artikel in verschiedenen Zeitschriften erscheinen, die Berichte der europäischen Reisenden als Schönfärberei und blinden Enthusiasmus abtun, sollten wir uns vor Augen halten, daß es arabische Autoren waren, die bereits im ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung über die Zucht arabischer Pferde geschrieben haben. Dort ist bereits viel von dem zu lesen, was die belächelten europäischen Reisenden oder Wissenschaftler in ihren Arbeiten erfassen konnten.

Das Kapitel über die Beduinen wollen wir mit einer Aussage des Schweizer Asil-Club-Mitgliedes John Henry Mueller (+1991) beginnen, der als Agent im 2. Weltkrieg mit den Beduinen die Wüsten Saudi Arabiens durchstreift und die letzten Jahre des Beduinenlebens in atemberaubender Weise geschildert hat. Dann folgen treffende Charakterisierungen von T.E. Lawrence (Lawrence von Arabien), die dem Vorwort zu C.M. Doughty, Travels in Arabia Deserta, entnommen sind. Wie T.E. Lawrence freimütig bekannte, wäre er ohne den Schlüssel zum wirklichen Verständnis der arabischen Volksseele nie an sein Ziel gelangt. Dieses Verständnis hatte ihm Doughty vermittelt, der sein jahrelanges Wandern und Leben mit den Arabern im Innersten der Wüste mit großer stilistischer Gestaltungskraft und fanatischer Wahrheitstreue schildert. Doughty gilt als einer der größten Arabienkenner - er war kein Hippologe -, und von ihm zitieren wir eine Reihe bezeichnender Abschnitte.

Anschließend lassen wir Helmut von Moltke zu Wort kommen, nochmals M. v. Oppenheim und Erich Feigl, der von dem hochgeschätzten Böhmen Alois Musil, auch Musil von Arabien und Sheikh Musa genannt (übrigens einem Vetter von Robert Musil), berichtet. Dieser war noch mit Fürst Thalal und dem berühmten Emir Nuri Ibn Shalan befreundet. Musils ethnographischer Reisebericht über den von ihm so geliebten Stamm der Ruala, dieses Wunderwerk der Völkerkunde, ist in den USA so bekannt und viel gelesen wie hierzulande vergessen (Feigl).

Es folgen Schilderungen von E. von Nolde und Muhammad Asad, der uns eindrucksvoll von König Ibn Saud und dem Emir Ibn Musaad berichtet. Die sowohl mit der westlichen als auch mit der arabischen Szene und ihrer Literatur vertraute Prinzessin Lulua Al Sabah, Vorstandsmitglied im Asil Club, hat in ihrer Antwort auf einen Artikel von Kees Mol Argumente herausgestellt, die sich in die einzelnen Berichte aus der Sicht einer arabischen Persönlichkeit nahtlos einfügen. An den Schluß setzen wir noch einmal John Henry Mueller und hoffen zuversichtlich, den Leser überzeugt zu haben: Der Beduine, der Schöpfer des asil arabischen Pferdes, ist glaubwürdig dank seiner hohen Ehrauffassung und seines vorzüglichen Gedächtnisses.

W. Georg Olms (1999)